Darf das Finanzamt über die amtlichen Werte für Sachentnahmen im Lebensmitteleinzelhandel hinaus auch Hinzuschätzungen für sogenannte Non-Food-Artikel vornehmen? Mit dieser Frage befasste sich das Finanzgericht Münster (FG).
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2015 bis 2017 als Einzelkaufmann zwei Supermarktfilialen. Sein Warensortiment umfasste neben Lebensmitteln und Getränken sowie Genussmitteln auch sogenannte Non-Food-Artikel, insbesondere Wasch- und Putzmittel, Hygiene- und Kosmetikprodukte sowie Schreibwarenartikel. Er tätigte Entnahmen aus dem gesamten Warensortiment (mit Ausnahme von Tabakwaren). Da er darüber keine gesonderten Aufzeichnungen führte, berücksichtigte er stattdessen die Pauschbeträge für Sachentnahmen aus dem jeweils gültigen Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF). Nach einer Außenprüfung setzte das Finanzamt zusätzlich weitere Sachentnahmen für die entnommenen Non-Food-Artikel fest, da nach seiner Auffassung die vom Kläger angesetzten Pauschbeträge lediglich die Bereiche Lebensmittel und Getränke abdeckten.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt und urteilte zugunsten des Klägers. Da dieser keine Aufzeichnungen über die getätigten Warenentnahmen geführt habe, seien die Entnahmen zu schätzen. Die jährlichen Richtsatzsammlungen einschließlich der Pauschbeträge für Sachentnahmen stellten dabei aufgrund der darin enthaltenen Erfahrungswerte lediglich Hilfestellungen dar. Die Schätzung des Finanzamts sei der Höhe nach rechtswidrig. Eine Erhöhung des Gewinns durch Pauschbeträge für Non-Food-Artikel sei unzulässig. Das Sortiment eines Lebensmitteleinzelhändlers bestehe zwar überwiegend aus Lebensmitteln und Getränken, darüber hinaus aber auch aus Non-Food-Artikeln, insbesondere Haushaltswaren. Entsprechende Entnahmen seien in den Pauschbeträgen enthalten.
Die Frage, ob für die Entnahme von Non-Food-Artikeln weitere, über die Pauschbeträge nach den amtlichen Richtsatzsammlungen hinausgehende Hinzuschätzungen erforderlich und zulässig sind, ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt. Das FG hat daher die Revision zugelassen. Vergleichbare Fälle sollten folglich offengehalten werden.
Hinweis: Das BMF hat mit Schreiben vom 21.12.2022 bereits klargestellt, dass sich die Pauschalen nur auf Nahrungsmittel und Getränke beziehen. Daher sollten ab 2023 für Non-Food-Artikel Einzelaufzeichnungen geführt werden.
Quelle: FG Münster, Urt. v. 29.04.2022 – 10 K 1297/20 G, U, F, Rev. (BFH: III R 28/22)
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