Aufarbeitung von Gebrauchtgegenständen: Differenzbesteuerung auch bei Upcycling anwendbar? Das Finanzgericht Schleswig-Holstein (FG) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Differenzbesteuerung auch dann anwendbar ist, wenn ein Gebrauchtgegenstand nicht nur aufgearbeitet, sondern zugleich zum Zweck seiner zeitgemäßen Nutzung um ein Neuteil ergänzt wird.
Im Urteilsfall hatte die Klägerin antike Waschkommoden aus privater Hand angekauft, restauriert und zusammen mit einem individuell angepassten Waschbeckenaufsatzteil nebst Armatur wiederverkauft. Das Finanzamt versagte die Anwendung der Differenzbesteuerung, da im Ergebnis ein neuer Verkaufsgegenstand hergestellt worden sei. Die Klägerin vertrat hingegen die Auffassung, dass die Funktion des Objekts als Waschkommode unverändert geblieben sei. Das Neuteil spiele bei der Gesamtwürdigung der Restaurierungsarbeiten und auch hinsichtlich des Kaufmotivs der Kunden nur eine untergeordnete Rolle.
Das FG gab der Klägerin recht und bezog sich dabei insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2017. Die erforderliche Identität zwischen Ankaufs- und Verkaufsobjekt sei mit Blick auf den Normzweck der Differenzbesteuerung (Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und Doppelbesteuerungen bei der Wiedereinführung von Gebrauchtgegenständen in den Wirtschaftskreislauf) nicht zu eng auszulegen. Daher sei die Differenzbesteuerung nicht allein auf Recyclingfälle beschränkt. Sie könne auch in den Fällen der Verbindung eines aufgearbeiteten Gebrauchtgegenstands mit einem Neuteil (Upcycling) zur Anwendung kommen.
Voraussetzung sei, dass der aufgearbeitete Gebrauchtgegenstand dem Wiederverkaufsobjekt sein Gepräge gebe und aus Verbrauchersicht das entscheidende Kaufmotiv darstelle.
Quelle: FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 29.03.2023 – 4 K 77/22, Rev. (BFH: XI R 9/23)
Fundstelle: www.schleswig-holstein.de
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