Die Umsatzsteuer entsteht in der Regel mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die jeweilige Leistung ausgeführt worden ist (Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten). Die Steuerschuld wird in diesem Fall also bereits auf Beträge berechnet, die das Unternehmen noch gar nicht erhalten hat.
Hinweis: Da diese sogenannte Soll-Besteuerung die Liquidität bedrohen kann, dürfen kleinere Unternehmen eine Sonderregelung nutzen und die Umsatzsteuer unter gewissen Voraussetzung auf Antrag nach vereinnahmten Entgelten berechnen (Ist-Besteuerung). Die Steuerschuld entsteht dann erst, wenn das Entgelt tatsächlich vereinnahmt ist.
Nach einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen Leistungen im Fall der Soll-Besteuerung auch dann bereits mit Leistungsausführung versteuert werden, wenn das Entgelt aufgrund einer Vereinbarung mit dem Leistungsempfänger unter Bedingungen und zeitverzögert fällig wird. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Generalunternehmer eine Photovoltaikanlage errichtet und mit dem Kunden vereinbart, dass das Entgelt hierfür nur insoweit zur Zahlung fällig wird, wie es vom Kunden aus den laufenden Einnahmen der Stromeinspeisung beglichen werden kann. Im Jahr 2011 stellte das Generalunternehmen eine erste Rechnung über 450.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer aus. Der Kunde zahlte daraufhin nur 77.350 EUR, da nur in dieser Höhe Einspeisevergütungen geflossen waren. Das Generalunternehmen wollte seine Umsatzsteuer für 2011 auf Grundlage des tatsächlich vereinnahmten Betrags berechnen, obgleich es an die Soll-Versteuerung gebunden war. Das Finanzamt ging allerdings davon aus, dass die Umsatzsteuer auf die vollen 450.000 EUR zu zahlen war.
Der BFH gab dem Finanzamt recht und urteilte, dass die Umsatzsteuer auch dann bei Leistungsausführung entsteht (ohne Steuerberichtigung), wenn der Unternehmer mit dem Kunden vereinbart, dass das Entgelt nur insoweit geschuldet wird, als es durch Einnahmen aus der Stromeinspeisung beglichen werden kann. Aus dem EU-Recht folgt, dass die Soll-Besteuerung nicht dergestalt einzuschränken ist, dass der Unternehmer nur bereits fällige Entgeltansprüche zu versteuern hat.
Hinweis: Im Ergebnis musste der Generalunternehmer also für das Jahr 2011 eine Umsatzsteuer von 85.500 EUR (19 % auf 450.000 EUR) an das Finanzamt abführen, obwohl er für die zugrunde liegende Leistung nur 77.350 EUR vereinnahmt hatte.
Quelle: BFH, Beschl. v. 28.09.2022 – XI R 28/20
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