Die Finanzämter greifen bei Betriebsprüfungen häufig auf eine sogenannte Richtsatzsammlung zurück, um Umsätze und Gewinne von Gewerbetreibenden verproben und mit den Zahlen anderer Unternehmen desselben Wirtschaftszweigs vergleichen zu können. Auch die Veranlagungsstellen der Finanzämter ziehen die Richtsätze zu Schlüssigkeitsprüfungen heran. Ergeben sich Abweichungen, kann dies unter Umständen zu Hinzuschätzungen berechtigen.
Die Richtsätze sind für die einzelnen Gewerbeklassen auf der Grundlage von Betriebsergebnissen zahlreicher geprüfter Unternehmen ermittelt worden und stellen auf die Verhältnisse eines Normalbetriebs ab. Sie können auf Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Körperschaften angewandt werden. Das Finanzamt muss aber auch die individuellen Verhältnisse der einzelnen zu prüfenden Betriebe berücksichtigen. In der Richtsatzsammlung, die vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) zuletzt für das Jahr 2020 veröffentlicht wurde, werden Rohgewinnsätze, Rohgewinnaufschlagsätze sowie Halb- und Reingewinne dargestellt.
In einem Begleitschreiben von Ende 2022 weist das BMF nun darauf hin, dass die Finanzämter insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten (z.B. aufgrund von Pandemie oder Krieg) verstärkt auf die individuelle Situation des Betriebs eingehen müssen. Es muss durch die Ämter im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, ob und in welchem Umfang bei der Anwendung der Richtsätze anschließend Korrekturen vorzunehmen sind. Angesichts der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen sollen die Finanzämter auf einen sensiblen Umgang mit der Richtsatzsammlung gegenüber Betrieben achten.
Hinweis: Stützt ein Finanzamt seine Hinzuschätzung auf eine ermittelte Richtsatzabweichung, können betroffene Betriebe prüfen, ob sie mit der nun gebotenen, verstärkt individuellen Betrachtung der betrieblichen Situation in Krisenzeiten argumentieren können. Das Begleitschreiben des BMF kann hierbei Schützenhilfe leisten.
Quelle: BMF-Schreiben v. 28.11.2022 – IV A 8 – S 1544/19/10001 :006
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