Außerordentliche Einkünfte, wie beispielsweise Abfindungen, Entlassungsentschädigungen oder Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten, unterliegen einem ermäßigten Einkommensteuersatz, sofern sie dem Empfänger zusammengeballt zufließen. Der Steuergesetzgeber will durch die ermäßigte Besteuerung Steuerprogressionsnachteile ausgleichen, die ein entschädigungsbedingt erhöhtes Einkommen bei regulärer Besteuerung nach sich ziehen würde. Kommen die außerordentlichen Einkünfte jedoch in mehreren Teilbeträgen über mehrere Veranlagungszeiträume verteilt zur Auszahlung, ist eine ermäßigte Besteuerung in der Regel ausgeschlossen, weil dann keine wesentlichen Progressionsnachteile entstehen.
Hinweis: Die Finanzverwaltung lässt eine ermäßigte Besteuerung in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings noch zu, wenn eine Teilleistung von maximal 10 % der Hauptleistung in einem anderen Jahr als die Hauptleistung zur Auszahlung kommt(Nichtbeanstandungsgrenze).
In einem kürzlich vom Bundesfinanzhof (BFH) veröffentlichten Fall versuchte ein Arbeitnehmer, seine in zwei Veranlagungszeit-räumen bezogenen Abfindungszahlungen auf zwei unterschiedliche Schadensereignisse aufzuteilen, um die ermäßigte Besteuerung für beide Zahlungen zu „retten“. Er hatte im Jahr 2015 eine Sozialplanabfindung von 115.700 EUR erhalten und im Jahr 2016 eine Zusatzabfindung samt „Startprämie“ von 59.250 EUR für den vorzeitigen Ausstieg aus einer Transfergesellschaft.
Das Finanzamt lehnte die ermäßigte Besteuerung beider Zahlungen wegen fehlender Zusammenballung ab. Der Arbeitnehmer hielt dagegen, dass die Zahlungen auf zwei verschiedenen Schadensereignissen (Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Ausstieg aus der Transfergesellschaft) beruhen würden, so dass sie isoliert voneinander betrachtet und jeweils ermäßigt besteuert werden müssten. Der BFH lehnte jedoch ab und schloss sich der Auffassung an, dass beide Zahlungen mangels zusammengeballter Auszahlung nicht ermäßigt besteuert werden können.
Nach Gerichtsmeinung lag eine einheitliche Entschädigungszahlung vor, die auf einem einzigen Schadensereignis – dem Verlust des Arbeitsplatzes – beruhte. Die einzelnen Zahlungsansprüche waren zwar in unterschiedlichen Teilen der Verträge geregelt, sie alle beruhten aber auf dem strukturbedingten Wegfall des Arbeitsplatzes. Das vorzeitige Ausscheiden aus der Transfergesellschaft konnte nicht als isoliert zu betrachtendes Schadensereignis eingestuft werden, da alle vertraglichen Modalitäten gleichzeitig und unter Beteiligung derselben Vertragspartner verbindlich geregelt worden waren. Die vertraglichen Bestandteile waren untrennbar miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt.
Hinweis: Die Entscheidung zeigt, dass Regelungen zum sozialverträglichen Abbau von Arbeitsplätzen steuerlich in der Regel als Gesamtvereinbarung gewertet werden. In der Praxis sollte daher darauf geachtet werden, dass die Zahlungen zusammengeballt im selben Jahr zur Auszahlung kommen bzw. zumindest die abweichend ausgezahlte Teilleistung die 10-%-Schwelle nicht überschreitet.
Quelle: BFH, Urt. v. 06.12.2021 – IX R 10/21
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